Knapp über 2 Wochen ist es nun schon wieder her, seit ich in Berlin den jährlich stattfindenden Naturkosmetik Branchenkongress besucht habe. 2 Tages volles Kongress-Programm mit Vorträgen, Experten-Diskussionen, abendlichem Get-Together, gesprächsreichen Kaffeepausen, kurzweiligen Keynotes – ganz schön viel Denkfutter! Einige Impulse zum Weiterdenken findet ihr seit gestern auf dem Blog des NaturkosmetikCamp. Mit euch möchte ich vor allem aus Blogger- und Konsumentensicht einen Blick auf die Veranstaltung werfen:
Naturkosmetik als Baustein des „magischen Dreiecks“
In einer Experten-Diskussion zum Thema Verbraucherschutz und Verbrauchertransparenz wurde viel diskutiert – über Label, gesetzliche Regelungen, weltweit einheitliche Siegel etc. Besonders hängen geblieben ist mir dabei, dass mehrfach betont worden ist, dass Naturkosmetik nur einer von drei Bausteinen im Bereich des nachhaltigen Lebensstils ist – neben Textilien und Lebensmitteln. Ich habe persönlich auch den Eindruck, dass alle drei Bereiche eng miteinander verzahnt sind. Viele Trends im (Bio-)Lebensmittel-Bereich schwappen – meistens mit etwas Verzögerung – auch in die (Natur-)Kosmetik-Branche über. Ich sage nur: Superfoods! Speziell in der Blogosphäre lässt sich zunehmend beobachten, wie reine Naturkosmetik-Blogs ihr Themenfeld nach und nach auf weitere Bereiche des nachhaltigen Lebens erweitern, um mehrere Facetten zu beleuchten. Und die Zahl der Magazine, die in Sachen Nachhaltigkeit alle drei Bereiche miteinander kombinieren, wächst ebenfalls stetig. Tja, und auch auf dem Kongress haben wir in den Pausen Tipps zu Fair Fashion-Labels ausgetauscht. :-D Irgendwie wäre es doch cool, wenn es zwischen Fair Fashion, Bio Food und Naturkosmetik noch mehr intelligente Schnittstellen geben würde. Wie die aussehen können, weiß ich ad hoc allerdings auch nicht. ;-)
Unkonventionelle Schönheitsbilder als neuer USP der Naturkosmetik
Die Programmvorsitzende Elfriede Dambacher hat in ihrem Kurzvortrag anhand von aktuellen Zahlen und Fakten aufgezeigt, dass die Beauty-Branche insgesamt den Druck auf die Naturkosmetik erhöht. Viele konventionelle Marken präsentieren sich in zunehmend grünem Gewand und so haben es die Hersteller von „echter“ Naturkosmetik nicht gerade einfach, sich aus der Nische heraus zu behaupten. Wenn „Green Beauty“ im Verkauf offensiv als Verkaufsargument genutzt wird, was ist dann überhaupt noch das Alleinstellungsmerkmal der Naturkosmetik?
Einen interessanten Ansatzpunkt als Antwort auf diese Frage lieferte Inga Nandzik von der Agentur Sturm und Drang. In ihrem Vortrag zeigte sie auf, wie das Schönheitsbild 2020 aussehen kann: es geht dabei vor allem um einen Kontrapunkt zur Austauschbarkeit von „genormter“, vereinheitlichter, perfektionierter Schönheit, wie ihr sie beispielsweise hier seht. Stattdessen wird Schönheit zukünftig zunehmend divers und überschreitet dabei Identitätsgrenzen. „Vom Hübschen zum Bemerkenswerten“, das könnte Frau Nandzik zufolge das neue Motto in Sachen Beauty werden. Fände ich gut! Kann die Naturkosmetik hier nicht eine Vorreiter-Rolle einnehmen, die über „Natural Beauty“ in Form von No Makeup-Looks hinausgeht? Dabei muss ja nicht gleich Photoshop von allen Rechnern deinstalliert werden, aber mehr Mut zum – im wahrsten Sinne des Wortes – Un-Konventionellem wäre doch mal sehenswert, oder?
Naturkosmetik und Achtsamkeit
Ha, das wussten wir ja schon lang! Naturkosmetik ist ideal geeignet, um „achtsames Ressourcentuning“, wie Inga Nandzik es bezeichnete, zu betreiben. Soll heißen: die eigenen Energiereserven werden gepflegt bzw. geschont, um im beschleunigten Alltag mit Resilienz und Ausdauer am Ball bleiben zu können. Ich sag’s ja: Home Spa für alle!!! :D Um die eigenen Akkus aufzuladen, gibt es nicht nur die klassischen Möglichkeiten wie das Vollbad mit Schaumberg bei Kerzenlicht, sondern auch neue Treatment-Formen wie Aqua Peeling oder auch schnelle Splash Masken als unkompliziertes Ritual im Alltag.
Wie viel Nerd steckt in uns?
Gefreut habe ich mich ganz besonders über auf dem Kongress genannte Best-Practice-Beispiele aus der Nische, die sich in meinem Badezimmer ganz selbstverständlich neben den Big Playern und Pionieren der Branche tummeln – zum Beispiel Andrea Garland und Whamisa. Klar, in Sachen Beauty-Trends hat Korea (wo Whamisa beheimatet ist) häufig die Nase vorn. Scheinbar ist das aber als Erkenntnis durchaus auch noch nicht für jeden kalter Kaffee. In geführten (und, ich gebe es zu, zum Teil belauschten) Gesprächen ist mir seit langem mal wieder bewusst geworden, dass wir insbesondere in der Blogosphäre echt in einer ganz schönen Nerd-Blase innerhalb der Naturkosmetik-Nische leben und vom Mainstream teilweise schon ziemlich weit entfernt sind. Für uns ist es selbstverständlich, uns auf Blogs über die neuesten Nischen-Marken auszutauschen, kleine Shops zum neuesten Hot Spot zu erklären und überhaupt mit Marktneuheiten national und vor allem auch international ziemlich schnell vertraut zu sein. Ganz ehrlich, wir sind Nerds – und das ist gut so. ;-)
Wie wird sie also aussehen, die Naturkosmetik-Welt in 5, 10, 15 Jahren? Ein Blick in die Glaskugel wäre sicher mehr als spannend! So sehr ich ein Herz für Beständigkeit, Tradition und Bewährtes habe, so sehr wünsche ich mir gleichzeitig, dass Hersteller und Händler zunehmend Neues wagen – und dabei individuelle Pfade beschreiten. Innovation und kreatives Feuer, gepaart mit einer Prise Risikobereitschaft. Was es da in den kommenden Jahren wohl zu entdecken gibt?
11 Comments
Da hat du mir wirklich aus der Seele gesprochen.
Nach wie vor und mehr als je zuvor bin ich der festen Überzeugung, dass NK immer mehr zum Mainstream wird und auch werden muss – zum Wohle der Umwelt und unserer Nachkommen, die damit klar kommen müssen.
Die „Angst“ der Nerds, sich dann nicht mehr genug von der Masse abzusetzen, ist unsinnig, auch in der KL gibt es immer noch Nerd-Marken und Nerd-Trends.
Ich denke, bis NK wirklich im Mainstream angekommen ist bzw. zur Selbstverständlichkeit geworden ist, dauert es noch eine Weile. Und ja, das „Nerd-Futter“ wird dabei niemals ausgehen, da mache ich mir auch gar keine Sorgen. :-)
Hallo Ida, ich hatte schon gehofft, hier von der Veranstaltung zu lesen, zumal ich in diesem Jahr selbst nicht teilnehmen konnte. Dass Naturkosmetik mit anderen nachhaltigen Themen Hand in Hand gehen sollte, war für mich recht schnell klar. :) Danke für die Zusammenfassung!
Liebe Grüße
Elisabeth
Bei mir war es „damals“ die Ernährung, bei der zuerst ein Umdenken eingesetzt hat. Dann folgte die Kosmetik und dann wiederum etwas später die Kleidung. Wenn man einmal angefangen hat, ziehen Gedanken und Verhaltensänderungen rund um das Thema Nachhaltigkeit immer größere Kreise.
Ein toller Bericht, ich hab sowohl hier als auch den auf dem Naturkosmetik-Camp nachgelesen. Zum Thema Greenwashing und Inhaltsstoffe hab ich mir auch gleich gedacht – „Aber der reflektierte Verbraucher checkt die doch und sieht nach? Dank Codecheck ist das ja inzwischen recht einfach machbar.“ – Aber wahrscheinlich hast du Recht damit, dass wir Blogger da in unserer Blase sitzen und der Normalverbraucher nicht unbedingt die Zeit oder Lust hat, dass noch in die Tiefe gehend zu checken (deswegen ja auch die Zertifizierungen, die ja aber auch recht undurchsichtig sind und soviel kosten…)
Dennoch denke ich, es gibt immer noch viele Punkte, wo auch die Hersteller einen USP herausarbeiten und sich stärker positionieren können – wieso befinden sich gefühlt 80% Naturkosmetik immer noch in Plastikverpackungen MIT zusätzlicher Umverpackung (klar, da kann mehr Info transportiert werden)? Da gäbe es sicher Alternativen, und was du als „magischen Dreieck“ ansprichst – im Food-Bereich werden Unverpackt-Läden und der Verzicht auf Plastik / zero-waste ja immer aktueller. Schauen wir mal, ob das überschwappt.
Danke für den informativen Post!
Liebe Grüße,
Kati
Hihi, ja, das denke ich mir auch immer: der mündige Verbraucher informiert sich doch! Aber die Norm ist das noch lange, lange nicht, denke ich! Von daher wird Greenwashing wohl nicht von heute auf morgen „aussterben“. Das Thema Verpackungen ist übrigens ein spannendes, wie ich finde – es gibt ja einige Hersteller von NK, die sich auf dem Gebiet echt große Gedanken machen!
Ich würde es auch begrüßen, wenn sich NK zunehmend in Richtung Mainstream entwickeln würde – aus Gründen, die Petra schon erwähnt hat. Ähnlichen Trend beobachte ich als Duftjunkie schon seit längerer Zeit auf dem Parfum-Nischenmarkt. Hier allerdings leider oft mit dem weniger wünschenswerten Effekt, dass erfolgreiche Nischenmarken sehr bald von den großen Mainstreamern wie Estée Lauder, Puig, Shiseido etc. aufgekauft werden und das Nischen-Konzept danach oft „verwässert“ wird. Trotzdem entstehen immer wieder neue Marken, die den Nischen-Gedanken pflegen. Insofern denke ich, dass uns Beauty-Nerds der Stoff niemals ausgehen wird 😉
Dass uns der Stoff jemals ausgehen könnte, befürchte ich auch nicht. :) In Sachen Mainstream: ein bisschen ist es dieselbe Frage, die sich mir auch beim Thema Bio-Lebensmittel stellt: ist Bio für alle tatsächlich möglich? Oder ist es aufgrund begrenzter Ressourcen (verschiedenster Natur) eher Utopie? Von daher bin ich für langsames, aber stetiges Wachstum. Steter NK-Tropfen höhlt den KK-Stein. :D
Schön, zu lesen, worüber diskutiert wurde und welche Themen besprochen wurden. Das liefert doch gleich wieder Impulse.
Viele Grüße von Judith
Genau dafür ist der Beitrag gedacht. :)
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