Ätherische Öle und Räucherwerk von bedrohten Pflanzen – und ihre Alternativen #1: Weihrauch

23. November 2020
weihrauch räuchern ätherisches öl

Seit weit mehr als einem Jahr schlummert eine Beitragsidee in meiner Schublade, die es bisher nicht auf den Bildschirm gebracht hat. Das soll sich heute ändern. Konkret geht es um den Hype, der bisweilen um bestimmte Pflanzenschätze zelebriert wird, wenn es ums Räuchern oder um ätherische Öle geht. Spontan fallen mir da beispielsweise Palo Santo, Weihrauch, Narde, Sandelholz, Oud oder Rosenholz ein.

Doch wie sieht es eigentlich aus mit der Pflanzenwelt dahinter? Ätherische Öle und Räucherwerk entstehen nicht synthetisch im Labor, sondern basieren auf echtem Pflanzenmaterial – es braucht dafür Blätter, Harze, Hölzer, Rinde, Blüten, Wurzeln, … Und einige der Pflanzen, deren feinen Duft wir beim Räuchern oder für Aroma-Anwendungen so sehr schätzen, sind tatsächlich durch verschiedene Faktoren in ihren Beständen gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht.

Ich möchte mich diesen Pflanzen daher in dieser neuen Beitrags-Reihe etwas detaillierter widmen, zu einem achtsamen Umgang damit anregen und, wenn möglich, Alternativen dazu aufzeigen.

Den Anfang macht dabei einer der Klassiker unter den einzigartigen ätherischen Ölen und eines der beliebtesten Räucherwerke mit jahrtausendlanger Tradition: der Weihrauch. Verschiedene Weihrauch-Arten werden auf der Internationalen Roten Liste bedrohter Arten als „near threatened“ „vulnerable“ oder „critically endangered“ bewertet. Grund genug, sich mit Alternativen und Anbaubedingungen zu beschäftigen.

Weihrauch: seit Jahrtausenden populär

Weihrauch wird seit vielen Jahrhunderten, ja sogar Jahrtausenden, als Räucherwerk geschätzt. In Ägypten wurde „der Schweiß der Götter“ für Mumifizierungen und Kultriten verwendet. Auf der sog. Weihrauchstraße wurde er über mehrere Ländergrenzen hinweg gehandelt.

Die Heiligen Drei Könige beschenkten das Jesuskind mit Weihrauch, Gold und Myrrhe und in unzähligen Kirchen ist Weihrauchduft auch heute nicht mehr wegzudenken (wenn auch eher nicht in purer Anwendung). Heilkundige wie Hippokrates oder Hildegard von Bingen schätzten Weihrauch ebenfalls. Dazu kommen Spirituelle rund um den Globus, die heutzutage auf die klärende, energetisch reinigende Kraft des Weihrauchs beim Räuchern setzen.

Auch in der Aromatherapie ist das kostbare Öl des indischen und des arabischen Weihrauchs seit langem bekannt und geschätzt, sei es für die Hautpflege oder bei chronischen Entzündungen. Häufig findet man auch Hinweise darauf, dass die im Weihrauch enthaltene Boswelliasäure antitumorale Eigenschaften aufweist. Das gilt jedoch nicht für das ätherische Öl, denn darin ist keine Boswelliasäure zu finden.

Das Problem bei der Weihrauchgewinnung ist nun allerdings folgendes: Weihrauch kann als Baumharz nur austreten, wenn der Baum verletzt wird, indem die Rinde von Stämmen und Ästen angeritzt wird. (Eindrucksvolle Bilder von „Weihrauchtränen“ findet ihr bspw. hier.) Passiert dies zu häufig, verliert der Baum seine Kraft, wird anfällig für Parasiten und kann schlussendlich sterben – er blutet quasi aus. Teilweise stehen die Bauern/Bäuerinnen, die mit dem Weihrauchgeschäft ihren Lebensunterhalt bestreiten, unter solchem finanziellen Druck, dass sie entgegen ökologischer Prinzipien arbeiten und so die Baumbestände massiv gefährden.

Forscher beurteilten die Situation des Boswellia papyrifera, einer von vielen Weihrauch-Arten, weltweit im vorigen Jahr nicht sehr optimistisch – in dieser Studie heißt es:  “[…] we find that over 75% of studied populations lack small trees, natural regeneration has been absent for decades, and projected frankincense production will be halved in 20 yr. These changes are caused by increased human population pressure on Boswellia woodlands through cattle grazing, frequent burns and reckless tapping. A literature review showed that other Boswellia species experience similar threats.”

Grund genug also, den Umgang damit einmal zu hinterfragen und auch nach Alternativen Ausschau zu halten.

Weihrauch als Räucherwerk: Alternativen aus heimischen Nadelbäumen

weihrauch und burgunderharz

Ohne Frage, verräucherter Weihrauch hat eine ganz besondere, eigene Qualität. Ich liebe den Duft ebenfalls sehr und habe in meinen Räucherwerk-Beständen noch immer sowohl reinen Weihrauch als auch tolle Mischungen, in denen Weihrauch enthalten ist (z. B. von Grüne Erde). Inzwischen kaufe ich aber keinen Weihrauch mehr, „nur“ um ihn zu verräuchern. Stattdessen habe ich im letzten Jahr damit begonnen, mich nach Alternativen umzuschauen, die nicht um die halbe Welt schippern müssen und zusätzlich den Raubbau an bedrohten Arten fördern.

burgunderharz fichtenharz

Gerade bei Harzen ist das eigentlich eine recht einfache Angelegenheit. Auch die hier heimischen Nadelbäume bilden natürlich Harze, die einen herrlichen Duft verströmen. Und so habe ich mich im letzten Herbst bei Sonnlicht, einem meiner liebsten Online-Shops für Räucherwerk (#notsponsored), mit heimischen Harzen eingedeckt. Ihr findet bei Sonnlicht zwar auch eine große Auswahl an klassischem Weihrauch, aber darüber hinaus auch eine Kategorie „heimische Räucherharze“. Darin findet ihr bspw. Waldweihrauch, der von österreichischen und bayrischen Fichten stammt und wild geerntet wird. Den habe ich selbst noch nicht ausprobiert, das Burgunderharz hingegen schon (derzeit im Angebot #justsayin‘). Ihr seht es auf dem oberen Bild – sieht es nicht spektakulär aus mit seiner bernsteinartigen Farbe? Der Duft ist subtiler und weniger balsamisch als der von Weihrauch und entführt mich mit seinem klaren Duft gedanklich direkt in heimische Wälder. Es riecht für mich nach Winterspaziergängen bei klarer Winterluft und Sternenhimmel in den Rauhnächten. Das löst bei mir persönlich nochmal ein ganz anderes Gefühl aus, wenn man Dufterfahrungen mit realen Erlebnissen und Bildern verknüpfen kann. Außerdem sammle ich seit einer Weile auch vereinzelt mit Harz benetzte Fichtenzapfen. Dieses Jahr werde ich meine heimischen Schätze für ein Wintersonnenwenden-Räucherritual im Freien nutzen und freue mich schon sehr darauf!

Weihrauch als ätherisches Öl: (k)eine Alternative vorhanden?

weihrauch nature is unique

Das ätherische Weihrauch-Öl wird durch die Wasserdampfdestillation des Harzes gewonnen. Es besteht überwiegend aus Monoterpenen, ist in seiner Zusammensetzung insgesamt aber eines der komplexeren Öle. Entsprechend gibt es nicht wirklich einen direkten Ersatz dafür. Wenn wir an kosmetische Zwecke wie die Gesichtspflege bei reifer Haut denken, können wir uns aber stattdessen aus der großen Bandbreite an weiteren Ölen bedienen, die ebenfalls für die Pflege der (reifen) Haut geeignet sind. Dazu zählen bspw. Rose, Rosengeranie oder Zeder (letztere ist allerdings aus ökologischer Sicht auch nicht unkritisch zu betrachten).

Grundsätzlich ist das Öl an sich natürlich nicht das Problem, sondern eher die Frage, unter welchen Bedingungen es produziert wird. Dank Sandra Ananda bin ich kürzlich auf einen Produzenten gestoßen, der ätherisches Weihrauchöl und -hydrolat unter nachhaltigen Bedingungen herstellt und jetzt auch einen Online-Shop für Endkund*innen hat: Nature is unique aus Berlin (again: #not sponsored). Die Gründer haben äthiopische, somalische und deutsche Wurzeln und setzen sich aktiv für eine nachhaltige Weihrauchwirtschaft ein. Die Weihrauchbäume werden in Somalia durch ein Kollektiv aus Bauern/Bäuerinnen und Erntehelfer*innen in der Region Puntlands angebaut und bewirtschaftet. Der Weihrauch wird schonend geerntet – die sog. Mutterbäume werden bspw. nicht beerntet, sondern dienen der Samenproduktion, um den Fortbestand der Bäume sicherzustellen. Nach der Ernte können sich die Bäume zwei Jahre lang regenerieren. Darüber hinaus wird den Bauern finanzieller Druck genommen, indem sie in Dürrezeiten infrastrukturelle Unterstützung – Lebensmittel, Medizin, Wasser – erhalten. Mehr über die Standards von Nature Is Unique erfahrt ihr hier. Die Produkte sind nicht nur nachhaltig produziert, sondern können sich auch optisch in ihren dunkelbraunen, satiniert-matten Glasflaschen mit gold-bronzenem Aufdruck sehen lassen. Der Boswellia carterii, den ich mir im Set mit dem dazugehörigen Hydrolat gekauft habe, riecht zu Beginn nadelig-grün mit einer fast schon zitrisch anmutenden Frische und hat erst auf den zweiten Riecher eine balsamisch-rauchige, wärmere Note. Insgesamt ein sehr feines und spannendes Duftprofil!

Ich werde das 5 ml Fläschchen hüten wie einen Schatz und nur sehr gezielt in geringer Dosierung einsetzen. Ein einzelnes Tröpfchen ist tatsächlich schon in einer Gesichtsöl-Mischung gelandet und für den Winter wird es Teil eines stimmungsaufhellenden, klärenden Raumsprays, das mich dann über viele Monate begleitet. So reicht mein Fläschchen entsprechend auch lang.

Völlig unsinnige Anwendungsmöglichkeiten wären hingegen die folgenden (alle schon mehrfach gelesen):

  • Weihrauchöl tropfenweise pur in den Händen einmassieren: ernsthaft, das ist erstens nicht hautfreundlich, zweitens eine massive Ressourcenverschwendung und drittens die größtmögliche (Über-)Dosierung. Da würde ich mir ja alternativ lieber einen Roll-On mischen, in dem 2 Tropfen Weihrauchöl in 10 ml Jojobaöl gemischt werden und der für viele, viele Wochen reicht und dieselbe Tropfenanzahl nicht nach 2 Anwendungen schon platt gemacht hat.
  • Speisen wahllos mit Weihrauch aromatisieren: warum???
  • Täglich Weihrauchöl ins Leitungswasser geben: Hört ihr mich leicht resigniert und genervt zugleich seufzen? Ich lese diese Empfehlung einfach so unfassbar oft und muss jedes Mal mit dem Kopf schütteln. Nochmal in aller Deutlichkeit: 1. Ätherische Öle gehört nicht ohne Emulgator in stilles Wasser (und damit weder in Gläser noch in Badewannen)! 2. Das rein „präventive“ Trinken von aromatisiertem Wasser ist überflüssig und sinnfrei. Dann presst lieber eine Zitrone aus und peppt mit dem Saft euer stilles Wasser auf – so landet wenigstens noch Vitamin C darin.
  • Weihrauchöl täglich für „Wellness und geistige Klarheit“ innerlich einnehmen: Auch hier wiederhole ich mich gern zum drölfhundersten Mal: Die tägliche innerliche Einnahme von ätherischen Ölen ist als Empfehlung superunseriös. Und grundsätzlich gilt für die allerallermeisten Fälle: die äußerliche Anwendung is king (or queen)! Ein schönes Körperöl, ein Roll-On, ein Badesalz, eine Mischung zur Raumbeduftung, ein Riechstift…über all diese Anwendungen finden die duften Moleküle über Nase und Haut ihren Weg in unseren Körper und beeinflussen so auch unsere Psyche. Es gibt also exakt KEINEN Grund, ätherische Öle für Wohlfühl-Anwendungen zu schlucken.

Ihr seht, Weihrauch ist wirklich ein luxuriöses Gut und sollte mit Verstand und Bedacht eingesetzt werden. Wie so oft ist Achtsamkeit hier das Stichwort, damit Konsum und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen können.

Habt ihr Weihrauch daheim, egal ob als Räucherwerk oder als Öl? Wofür/in welchen Situationen verwendet ihr ihn gern? Und über welches Öl würdet ihr in dieser Beitragsserie gern noch mehr erfahren? Falls ihr keine Wünsche haben solltet, komme ich als nächstes vermutlich mit Narde ums Eck. :-)

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7 Comments

  • Reply Jennifer 23. November 2020 at 17:44

    Liebe Ida, danke für diesen wichtigen Beitrag und all die interessanten Infos! Liebe Grüße, Jennifer

  • Reply Linalou 23. November 2020 at 23:28

    Liebe Ida, vielen Dank für deinen interessanten Text zu diesem so wichtigen Thema! Ich freue mich schon sehr auf weitere dieser Serie, die Alternativvorschläge sind klasse! Da werde ich mich sicher von in Zukunft inspirieren lassen :)
    Liebe Grüße
    Linalou

  • Reply Kathrin Fischer 24. November 2020 at 8:05

    Sehr spannende Serie! Es ist immer toll, über die Hintergründe von Produkten zu erfahren – und wenn es dann auch noch so gut recherchiert und schön geschrieben (und bebildert!) ist, dann ist es geradezu ein Vergnügen!
    Ich hab Weihrauch nur als ÄÖ zuhause, und nutze es vereinzelt für Gesichtsöl oder in Mischungen zur Raumbeduftung. Da wird es relativ sparsam eingesetzt, weil ich es nicht so üppig mag, sondern nur als dezente Basisnote. Dass das auch aus anderem Grund Sinn macht, hat mir jetzt dieser Artikel gezeigt – merci, Ida!

  • Reply Margareta 24. November 2020 at 14:29

    Danke liebe Ida, für diesen aufschlussreichen und wichtigen Artikel. Weiter so! :-)

  • Reply Evelyn 24. November 2020 at 19:14

    Vielen Dank für diesen tollen Beitrag, ich schau mir die Shops mal an und ich gebe dir recht, weniger von diesen hochwertigen Schätzen ist viel mehr!

  • Reply Petra 30. November 2020 at 12:15

    Danke, danke, danke! Ich kenne ja sogar Leute, die hochwertigen Weihrauch in ihre Wasserkaraffe zum „Energitisieren“ geben, und den Weihrauch hinterher in den Müll werfen!!! Er ist ja schließlich energetisch ausgelutscht 🤬.

    Ich verwende Weihrauch seit vielen Jahren und nur in homöopathischen Dosen. Zum einen gehört er in eine Variante des Thiouraye, gelegentlich verräuchere ich ihn auch pur, aber beides eher selten.

    Auch ätherisches Öl habe ich in beiden Varianten, aber verwende es auch hier nur sehr sparsam und am liebsten trocken vernebelt. Den Shop kenne ich noch nicht, dabei ist er hier in Berlin!!! Danke für den Tipp. Sehr gefreut habe ich mich, dort auch meinen heiß geliebten Ona-Vernebler zu sehen, den ich seit Jahren feiere (obwohl der Glasbehälter wirklich fragil ist). Die meisten vernebeln ja mit Wasser (auch ich gelegentlich), aber die Trockene Verneblung ziehe ich vor.

    Selbst gesammeltes heimisches Harz habe ich auch schon verräuchert, da kann ich nur raten, erst im Freien zu testen – einiges war toll, anderes war eher schlimm 😂😂😂

  • Reply Tanzen_auf_Beton (Daniela) 21. Dezember 2020 at 12:51

    Liebe Ida, großartiger Post – herzlichen Dank!

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