Von der Idee zum fertigen Duft: So habe ich mein Sommerparfum 2020 kreiert

7. Mai 2020
naturparfum selber machen

Ich liebe Parfum. Und inzwischen liebe ich es nicht nur, Parfum zu kaufen, sondern auch, meinen eigenen, ganz individuellen Duft zu kreieren. Meine ersten Parfumversuche vor inzwischen über 8 Jahren sind tüchtig in die Hose gegangen. Seitdem habe ich einige Dinge dazugelernt und finde die Welt der Parfumherstellung nach wie vor höchst faszinierend.

Seit Ewigkeiten träume ich davon, irgendwann einmal nach Grasse zu reisen, um ein bisschen Parfumeursluft zu schnuppern und meine romantischen Vorstellungen von der Hauptstadt des Parfums auf den Prüfstand zu stellen. Bis dahin versuche ich mich daheim weiter fleißig an eigenen Kreationen. Ich dachte mir, dass ich mit euch einmal teile, wie ich dabei vorgehe – vielleicht habt ihr ja auch Lust, mal einen neuen Duft auszuprobieren oder könnt daraus Anregungen mitnehmen, um euch an eigenen Ideen zu versuchen.

Anhand meines „Sommertraum“-Parfums zeige ich euch heute einmal, wie ich von der Idee zum fertigen Duft gekommen bin.

1. Die Idee

Wie soll mein Sommerduft 2020 riechen? Das wusste ich auf Anhieb sehr genau: zitrisch-frisch, mit einer grasig-grünen Note und einem Hauch an Blüten- und Kräuterkomponenten, die aber nicht dominieren sollen.

2. Die Vorauswahl ätherischer Öle

Wenn ich eine konkrete Idee meines Duftes im Kopf habe, treffe ich im nächsten Schritt eine Vorauswahl passender ätherischer Öle. Dabei sortiere ich gedanklich (und dann später auch auf dem Papier) gleich nach Kopf-, Herz- und Basisnoten.

Für die Akkorde in der Kopfnote schwebte mir süße Orange vor, gepaart mit spritziger Grapefruit und einem frischen, hellen Zitronenkick. Ich sprühe Parfum ohnehin am liebsten auf die Kleidung, sodass ich mir wegen der enthaltenen Furocumarine in den Zitrusölen keine Sorgen mache. Wenn ihr auf Nummer sicher gehen wollt, könnt ihr furocumarinarme Varianten der drei Öle verwenden (die gibt es z. B. von Farfalla).

Als Herznote habe ich an Neroli in Kombination mit frischem Lavandin gedacht. Ingwer hatte ich dabei als Akzent im Sinn für einen Hauch mehr Leben und Wärme im Sinn und Galbanum sollte eine grasig-grüne Note ins Spiel bringen. Für eine weiche Basis habe ich Copaiva-Balsam gewählt.

Von jedem ätherischen Öl gebe ich dabei einzeln je einem Tropfen auf einen separaten Duftstreifen. Ein richtiger Duftstreifenhalter ist dabei zwar eine schöne Sache, aber ihr könnt auch einfach Wäscheklammern dafür nutzen. Ich fächere die Duftstreifen nach Kopf-, Herz- und Basisnoten sortiert auf und verschaffe mir einen ersten Eindruck davon, wie die Komponenten im Gesamtbild riechen könnten.

naturparfum diy

3. Die Grundberechnung der Komposition

Nachdem ich eine Vorauswahl der ätherischen Öle getroffen habe, beginnt der mathematische Teil.

Als Grundlage habe ich die DIY Naturparfum-Basis von Farfalla gewählt. Diese enthält 27 ml, die ich gedanklich mal auf 30 ml aufgerundet habe (das erleichtert das Rechnen und bei einem Parfum bin ich in der Dosierung etwas großzügiger als bei einem Körperöl o. ä.).

Ich wollte ein eher leichtes, luftiges Dufterlebnis kreieren und habe mich deshalb für ein Eau de Toilette mit einer Dosierung von 8% entschieden. Das entspricht in diesem Fall 2,4 ml ätherischen Ölen (30 ml * 0,08 = 2,4 ml). Diese Menge muss ich nun nur noch in Tropfen umrechnen. Als Faustregel rechne ich immer mit der Grundregel 25 Tropfen = 1 ml. 2,4 ml sind dann also 60 Tropfen (25 * 2,4 = 60).

Nun gilt es, diese 60 Tropfen harmonisch auf ein geeignetes Verhältnis aus Kopf-, Herz- und Basisnoten aufzuteilen. In der Literatur finden sich dazu ganz unterschiedliche Angaben, ich habe hier nach folgendem Verhältnis gearbeitet:

60% Kopfnote  à 60 * 0,6 = 36 Tropfen
30% Herznote  à 60 * 0,3 = 18 Tropfen
10% Basisnote à 60 * 0,1 = 6 Tropfen

Auch ein Verhältnis von 50% Kopf-, 30% Herz- und 20% Basisnote kann am Ende gut funktionieren, verändert aber natürlich die Idee des Duftes. Je nach gewünschtem Duftprofil könnt ihr hier auch spielen und die Herznote oder die Basisnote verstärken. Für den Herbst schwebt mir beispielsweise ein waldig-harzig-holziger Duft vor, der sicherlich von Basisnoten dominiert sein wird.

Da ich hier aber die volle Ladung Zitrusnoten wollte, durften die Kopfnoten entsprechend prominenter sein (auch auf die Gefahr hin, dass sie natürlich sehr schnell verfliegen, wenn sie nicht durch geeignete Fixateure eingefangen werden).

Nun habe ich für die Kopf-, Herz- und Basisnote ja jeweils mehr als ein ätherisches Öl, sodass ich diese nun entsprechend aufteilen muss. Zunächst erstelle ich immer erst einmal eine einfache „No Brainer“-Rechnung, die ich anschließend nach meinen Duftvorstellungen verfeinere. Mit anderen Worten: ich gehe davon aus, dass die ätherischen Öle innerhalb der Kopf-, Herz- und Basisnoten jeweils den gleichen Anteil haben.

Da haben wir also:

36 Tr. Kopfnote:

12 Tr. Orange
12 Tr. Grapefruit
12 Tr. Zitrone

18 Tr. Herznote:

4,5 Tr. Neroli 10%
4,5 Tr. Lavandin
4,5 Tr. Ingwer
4,5 Tr. Galbanum

6 Tr. Basisnote:

6 Tr. Copaiva-Balsam

Dass man in der Praxis natürlich keine halben Tropfen aus der Flasche bekommt, ist an dieser Stelle irrelevant, da ich die Komposition im nächsten Schritt weiter feinschleife und sich die Tropfenzahlen somit sowieso nochmal verändern.

4. Die Verfeinerung der Komposition

Nach der obrigen Berechnung würde das Parfum sicher auch gut riechen. Ich hatte jedoch eine ganz bestimmte Duftrichtung im Kopf und habe daher die Tropfenanzahl mit folgenden Überlegungen angepasst:

36 Tr. Kopfnote:

Ich wollte nicht, dass die Kopfnote durch die Zitrone zu klar und hell wird, sondern dass die Spritzigkeit der Grapefruit und die Wärme der Orange im Vordergrund stehen. Deshalb habe ich der Zitrone 6 Tropfen „geklaut“ und gleichmäßig bei Grapefruit und Orange hinzugegeben:

15 Tr. Orange
15 Tr. Grapefruit
6 Tr. Zitrone

18 Tr. Herznote:

Ingwer ist ein ziemlich intensives ätherisches Öl, das ich hier nur als zarten Nuanceur verwenden wollte. Deshalb habe ich die Tropfenanzahl entsprechend reduziert und dafür den Anteil von Neroli etwas erhöht, weil ich Neroli als Herznote einfach sehr liebe. Da Galbanum als Harz recht intensiv duftet und ich die grasige Note nicht zu dominant gestalten wollte, musste Galbanum ebenfalls ein paar Tropfen an Neroli abgeben:

7 Tr. Neroli 10%
5 Tr. Lavandin
3 Tr. Ingwer
3 Tr. Galbanum

6 Tr. Basisnote:

Die Basisnote habe ich schlichtweg so belassen.

6 Tr. Copaiva-Balsam

Das alles mache ich übrigens schriftlich und liebe dieses Hin- und Hergeschiebe der Zahlen sehr!

Naturparfum selber machen

5. Das Mischen

Nun geht es vom Papier zurück an die Fläschchen – Mischen ist angesagt! Theoretisch könntet ihr jetzt zunächst alle Komponenten als Grundmischung miteinander kombinieren, sprich die einzelnen Öle in ein kleines Braunglasfläschchen geben und dann das Ergebnis mit einem Duftstreifen beurteilen und ggf. nochmal verfeinern.

Ich war aber mutig (oder faul…) und habe direkt in der Sprühflasche der Parfumbasis gemischt. Dabei gebe ich zuerst die ätherischen Öle der Basisnoten in die Flasche, dann folgen nacheinander alle Öle der Herz- und der Kopfnote. Flasche verschließen, schütteln, fertig!

6. Der erste Test

Dann folgt der spannendste Moment: das erste Antesten des Parfums! Ob der Duft wohl meiner Vorstellung entspricht? Sprizzzzzz…Mmmh, ja, da sind sie, die Zitrusnoten, gefolgt vom sonnigen Neroli-Aroma und einem Hauch würzigem Ingwer, gepaart mit dem unverkennbar grasigem Aroma des Galbanums, das in einer weichen Basis ausläuft.

7. Die Reifephase

Es spricht nichts dagegen, das Parfum nun sofort zu verwenden. Die Aromen brauchen jedoch einige Tage, ehe sie sich so richtig miteinander verbunden haben – in den kommenden 28 Tagen wird der Duft sich von Tag zu Tag verändern und noch deutlich runder werden. Da heißt es also: 2-4 Wochen abwarten.

8. Das Nachjustieren

Wenn ich merke, dass mir meine Eigenkreation noch nicht so hundertprozentig gefällt, justiere ich gern nochmal nach. An diesem Punkt bin ich bei meiner Sommertraum-Mischung noch nicht, werde aber, wenn die 28 Tage rum sind, nochmal einen finalen Check machen: gefällt mir das Verhältnis aus Kopf-, Herz- und Basisnote insgesamt? Ist der Anteil an Fixateuren (hier v. a. Copaiva-Balsam) hoch genug, um die flüchtigen Zitrusnoten einzufangen? Ist die Basisnote ausgeprägt genug? Und reicht mir die Dosierung insgesamt aus oder rechne ich sie lieber noch auf 10%-15% hoch? All das sind Schritte, die ich noch durchlaufe, ehe meine Komposition fertig ist.

Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich aber schon mal sagen: mein Sommertraum duftet herrlich frisch, sonnig-gelb, grasis-grün und fröhlich und erinnert mich an taunasses Gras in der sommerlichen Morgensonne. Ziel erreicht!

Habt ihr schon einmal selbst Parfum gemischt? Und habt ihr einen Wunsch für eine Duftrichtung, zu der ich ein weiteres Rezept kreieren soll?

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12 Comments

  • Reply Waldfee 7. Mai 2020 at 16:39

    Was für ein spannendes Thema liebe Ida. Aber da bin ich wohl raus. Ich kann zwar sagen, welche Düfte ich mag. Aber diese in eine Komposition zu bringen, übersteigt meine Fähigkeiten. Mein KK Lieblingsparfum ist das (leider leider leider limitierte) Jour d‘Hermes Gardenie von Hermes. Die letzten Reste hüte ich wie einen Schatz. Ich liebe Lavendel, Neroli, Gardenie, Rose, Mimose, Raps…

    • Reply Herbs & Flowers 8. Mai 2020 at 10:19

      Also laut Google sind von deinem Duftschätzchen noch ein paar Flaschen im Umlauf, falls du noch Nachschub besorgen willst. :-D Deine Liebe zu den sanften Blütendüften teile ich übrigens – vielleicht zaubere ich demnächst mal ein duftes Blütenmeer!

  • Reply Mae 7. Mai 2020 at 18:54

    Deine Komposition klingt toll und nach meinem Geschmack. Ich mag maritime Düfte sehr gern. Wünschen würde ich mir etwas frisches mit Gurke und Basilikum.

    • Reply Herbs & Flowers 8. Mai 2020 at 10:21

      Gurke wird schwierig, das gibt es ja in der Naturkosmetik nur als fettes Pflanzenöl (aus den Gurkensamen) und nicht als ätherisches Öl. Den subtilen Duft des fetten Öls liebe ich aber auch! Basilikum nehme ich als Anregung gern mit auf, das ist ein toller Nuanceur in außergewöhnlichen Düften.

  • Reply Kathrin 8. Mai 2020 at 9:45

    Liebe Ida, ich bin ebenso fasziniert wie Du vom Selber-Düfte-Mischen… Es ist spannend, jemand anderem dabei mal quasi ganz genau auf die Finger zu schauen! Zu schade, dass ich Dein Parfum selber nachbauen müsste, um den Duft mal schnuppern zu können! Von welchem Hersteller ist denn der Copaiva-Balsam? Wenn ich den hätte, könnte ich das nämlich in der Tat mal „kopieren“ :-)
    LG
    Kathrin

    • Reply Herbs & Flowers 8. Mai 2020 at 10:21

      Mein Copaiva-Balsam stammt von Farfalla. :-) Viel Vergnügen beim Nachbauen!

      • Reply Kathrin 11. Mai 2020 at 14:41

        danke vielmals für Deine Antwort! LG Kathrin

  • Reply Petra 8. Mai 2020 at 10:34

    Wie cool! Ich komme ja schon immer in Not, wenn jemand ein geschenktes Köperöl nachordert, ich freestyle ja meist und notiere viel zu wenig. Mein Liebling zum Einfangen zitrischer Düfte ist ja Benzoe Siam, das gibt immer so einen liebevollen Twist.

  • Reply Astrid 9. Mai 2020 at 9:43

    Liebe Ida, herzlichen Dank für das interessante Parfum-Rezept und auch dafür, dass du an der Entstehung teilhaben lässt. Eine wunderbare Verbindung von Nase und Mathematik :-) Ich habe jetzt allerdings keine Wahl, es kitzelt in der Nase und den Händen: ich muss es mir nachmischen. Ich bin so neugierig, wie es „in echt“ duftet. Liebe Grüße, bis hoffentlich zu den ILT im Juli

    • Reply Herbs & Flowers 9. Mai 2020 at 12:05

      Liebe Astrid, ja, Duft und Mathe ergänzen sich gut. :-D Viel Vergnügen beim Nachmischen – bestenfalls können wir bei den ILT dann die Dufterfahrungen austauschen, ich würde mich so sehr freuen!

  • Reply Jennifer 14. Mai 2020 at 17:40

    Liebe Ida, wow, das klingt mega spannend! Danke, dass wir an der Entstehung deines Parfüms quasi teilhaben durften! Liebe Grüße, Jennifer

  • Reply Birgit 28. Mai 2020 at 10:26

    Hört sich nach einem tollen Sommerduft an. Ich mische zur Zeit eher antivirale Düfte. Liebe Ida, ich war vor 20 Jahren in Grasse, als Stadt: ganz nett, ich hatte mit mehr Blumen drum herum gerechnet, aber die Führungen bei den konventionellen Herstellern Galimard und Fragonard fand ich geschichtlich interessant. Drücke die Daumen, dass du irgendwann mal hinfährst.

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